Olivenbäume als Therapie zur Reduzierung der Geschwindigkeit des Lebens

Wie schon in Kapitel 6 – Schlaganfall und die Geschwindigkeit des Lebens erwähnt, schreibe ich diesen begleitendenden Blog Beitrag, weil ich das Thema noch einmal aufgreifen und ein bisschen vertiefen möchte. Während der Titel des Beitrags Olivenbäume als Therapie ist, geht es natürlich nicht um eine Therapie im medizinischen Sinn, sondern vielmehr sind für mich Olivenbäume ein Sinnbild der Beständigkeit und des kontinuierlichen Wachstums geworden.

Schlaganfall, Achtsamkeit und Akzeptanz – Olivenbäume und Entschleunigung

Nach meinem Schlaganfall und während meiner resultierenden depressiven Phase, habe ich mich viel mit Achtsamkeit, Meditation und Methoden zur Entschleunigung auseinander gesetzt. Wie genau ich zu Olivenöl und Olivenbäumen gekommen bin, weiss ich schon gar nicht mehr. Ich war wohl schon immer an einigen Genüßlichkeiten wie Kaffee, Tee, Kakao und eben auch Olivenöl interessiert. Also habe ich mir ein paar Bücher zur Geschichte des Olivenöls gekauft und sie gelesen. Fasziniert habe ich mich immer mehr mit dem Thema beschäftigt. Während eines Urlaubs auf Mallorca haben wir dann die Oliven Plantage Son Moragues besucht und uns eine kurze Führung geben lassen. Bernd, der die Führung für uns machte, hatte nicht nur ein vielfältiges und interessantes Wissen über diese und adere Olivenhaine auf Mallorca, sondern hatte auch etwas Olivenöl, Brot und Manchego dabei, das wir nach der Führung unter einem 100  Jahre alten Olivenbaum genossen.

 

Durchhaltevermögen und Anpassungsfähigkeit

Da ist es wohl endgültig geschehen. Diese Pflanzen sind einfach unglaublich. Ihr Durchhaltevermögen und ihre Anpassungsfähigkeit an aktuelle Bedingungen sind umwerfend. Und das ist alles ganz abgesehen von den Früchten, die sie produzieren. Wenn Olivenbäume an einer Stelle verletzt werden, wächst der Stamm einfach um die Stelle herum oder darüber und versorgt die Zweige so weiter mit Wasser und Nährstoffen. Spätestens jetzt werden Parallelren erkennbar. Unser Gehirn arbeitet in Bezug auf Plastizität ja ganz ähnlich und kann trotz der Narben durch einen Schlaganfall über andere Areale und Verknüpfungen Funktionen wieder herstellen, obwohl diese eigentlich verloren schienen. Aber all das macht ein Olivenbaum nicht in ein paar Wochen oder Monaten, sonder im Laufe von vielen, vielen Jahren. Und das bringt mich zurück zum Thema Geschwindigkeit. Wir sind es gewohnt sofortige Befriedigung unserer Wünsche und Bedürfnisse zu erfahren. Als ich mit den Folgen meiner Sepsis und der folgenden Zyste an der Wirbelsäule zu meinem guten Freund und Physiotherapeuten, Jan von TCP, zur Therapie ging, sagte er mir schon, dass es schon ein paar Monate dauern wird bis ich wieder laufen kann. Als ich nach meinem Schlaganfall zu ihm ging, sagte er mir, dass was damals Monate waren, werden jetzt Jahre sein. Noch im Krankenhaus auf der Frühreha Station hegte ich die gelegentliche Hoffnung, dass ich eines Morgens aufwache und mich wieder normal bewegen kann. Das die Behinderung, die mi dem Schlaganfall kam genauso plötzlich wieder weggeht wie sie gekommen ist. Wäre das nicht schön. Aber wir wissen hier alle, dass das nicht passiert. Und irgendwann habe ich akzeptieren müssen, das dieses mal nichts einfach so weg geht. Das hat weh getan. Was ich aber nicht akzeptieren muss, ist das alles so bleibt wie es ist. Das habe ich zumindest teilweise selbst in der Hand und kann mir eine Möglichkeit verschaffen, dass sich meine Situation verbessert.

Schlaganfall Genesung in der Fast Lane??

Warum jetzt nochmal Olivenbäume?? Ruhe und Hartnäckigkeit und einfach mal die Geschwindigkeit aus dem Leben raus nehmen. Bewusst und achtsam überlegen was ich eigentlich vom Leben will und dann genauso bewusst Wege finden um das zu erreichen. So wie der Olivenbaum neue Kanäle für Nährstoffe um die beschädigten Stellen baut und wie unser Gehirn neue Wege findet, können wir Wege finden unser Leben neu zu ordnen und neue Ziele zu erreichen. Das geht aber nicht bei 1000 Kilometer pro Stunde. Es braucht Zeit und Entschleunigung. Der Olivenbaum ist für mich lediglich eine Inspiration oder ein Proxy für langsameres, bewussteres Leben. Aber weil ich Olivenbäume wirklich faszinierend finde, hier noch ein bisschen mehr darüber: Ich besitze inzwischen 2 Olivenbäume in Hamburg. Den ersten Baum  habe ich schon wunderschön gezogen gekauft. Er steht jetzt den 2. Sommer in unserem Wintergarten und ist prächtig gewachsen. Er ist wohl ca. 1,2 Meter hoch und hat einen Kronendurchmesser von 1 Meter. Natürlich hat er schon einen größeren Topf bekommen und frische Erde, die richtige Drainage, spezielle Nährstoffe und wird gepflegt und geliebt. Schon im zweiten Sommer hat er Blüten bekommen. Wir waren so aufgeregt.  Tatsächlich hatte er später auch ungefähr 50 Oliven. Dann haben wir in einem Shop einen 2. Baum gekauft, der als  beschädigt oder wie ich sage “ ein bisschen verkrüppelt“ verkauft wurde. Auch diesen Baum haben wir mit viel Liebe gepflegt. Aber er hatte im 1. richtigen Sommer keine Blüten und keine Oliven bekommen. Heuer erleben beide Olivenbäume ihren 2. richtigen Sommer in ihrem neuen zuhause. Und siehe da, der „Krüppel“ ist voller Blüten und inzwischen hat er schon viele kleine grüne Früchte. Der 1. Baum jedoch nimmt sich diesen Sommer wohl eine Auszeit und hat nur eine Handvoll Blüten. Es ist unglaublich wie ungeduldig ich oft auf die Bäume schaue und mir wünsche, dass sie nun endlich voller Oliven sind. Aber so läuft es eben nicht. Die Bäume entwickeln sich in ihrer Geschwindigkeit und die ist langsam, dafür aber beständig. Und manchmal machen sie einen Schritt zurück und dann wieder 2 Schritte vorwärts. Und ihnen ist völlig egal was ich davon halte. Die Moral von der Geschichte brauche ich wohl nicht ausschreiben … Diese Bäume lehren mich Akzeptanz und Geduld wie ich es zuvor nie gelernt habe. Ob du nun Olivenbäume auch toll findest oder etwas anderes ist völlig egal. Wichtig ist sich mit sich selbst zu beschäftigen und die Chance, die uns dieses 2. Leben bietet, zu ergreifen.